Mittwoch, 8. Februar 2017

TERMINDRUCK, ARBEITSVERDICHTUNG, STRESS

NUR IN JEDEM VIERTEN BETRIEB SYSTEMATISCHE MASSNAHMEN GEGEN PSYCHISCHE BELASTUNGEN 




Der psychische Druck ist in vielen Betrieben hoch. Das liegt häufig auch an einer zu dünnen Personaldecke. Arbeitnehmervertreter konstatieren als Folge eine Zunahme gesundheitlicher Probleme, zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Doch an konkreten Programmen gegen Stress fehlt es vielerorts – besonders in kleineren Firmen.
Zeit- und Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung, schwer planbare Arbeitszeiten, Angst vor dem Jobverlust: Psychische Strapazen lasten heute oft stärker auf den Beschäftigten als die körperlichen Anforderungen der Arbeitswelt. Das zeigt eine Untersuchung der WSI-Wissenschaftlerin Dr. Elke Ahlers, die Ergebnisse der jüngsten WSI-Betriebsrätebefragung ausgewertet hat. Rund 60 Prozent der gut 2000 befragten Betriebsräte geben an, dass die von ihnen vertretenen Belegschaften massiv unter Zeitdruck und hoher Arbeitsintensität leiden. Von hohem „Verantwortungsdruck“ berichten 44 Prozent, von regelmäßigen störenden Unterbrechungen der Arbeit 27 Prozent und von mangelnder Planbarkeit der Arbeitszeiten 23 Prozent. In einem Fünftel der Firmen grassiert die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Die Befunde sind branchenübergreifend und repräsentativ für Betriebe mit wenigstens 20 Beschäftigten und Arbeitnehmervertretung.
In den meisten Betrieben, 77 Prozent, haben Termindruck und hohe Arbeitsintensität nach Angabe der Betriebsräte in der jüngeren Vergangenheit zu mehr gesundheitlichen Beschwerden bei Beschäftigten geführt, in jedem zweiten ist die Zahl der Überstunden gestiegen. In rund drei Vierteln der Betriebe ist Stress Thema auf Betriebsversammlungen oder Gegenstand von Verhandlungen zwischen Arbeitnehmervertretung und Geschäftsführung. Dabei kommt die Zunahme des Arbeitsdrucks nicht von ungefähr: In jedem zweiten Betrieb gab es in den zwölf Monaten vor der Befragung Umstrukturierungen, über ein Viertel hat mit Personalabbau zu kämpfen. Hier ist der Stresspegel deutlich überdurchschnittlich. Doch auch in vielen anderen Betrieben ist die Personalausstattung nach Einschätzung der Befragten zu gering. 74 Prozent der Betriebsräte sehen sich mit dem Problem konfrontiert. Besonders drastisch ist dies in Erziehungs- und Gesundheitsberufen sowie im öffentlichen Dienstleistungssektor generell.
Es sei zu vermuten, so Ahlers, dass viele „Unternehmen die Personaldecke aus Kostengründen so dünn wie möglich halten“. Keineswegs liege die knappe Personalbemessung in erster Linie an zu wenigen geeigneten Bewerbern. Zwar hat laut Betriebsrätebefragung eine Reihe von Firmen Schwierigkeiten, die richtigen Leute zu finden, seien es Akademiker, Facharbeiter oder Ungelernte. Aber in solchen Betrieben spielt Überlastung durch Personalmangel kaum eine größere Rolle als in anderen.
Was den Druck auf Beschäftigte zusätzlich erhöht, sind die neuen Techniken der „Leistungssteuerung“: Zielvereinbarungen und Vertrauensarbeitszeit statt Stechuhr vergrößern zwar den Spielraum für Selbstbestimmung und Selbstorganisation, aber sie gehen der Untersuchung zufolge auch mit höheren Anforderungen und mehr Stress einher.
Was Management und Betriebsräte tun können

Traditionelle Formen des Arbeitsschutzes – Verbot von Sonntagsarbeit, Sicherheits- und Pausenvorschriften oder Ähnliches – sind notwendig, aber werden im betrieblichen Alltag oft umgangen und in ihrer Umsetzung kaum kontrolliert, so die Forscherin. Neuere Instrumente sind Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung, Eingliederungsmanagement nach längerer Krankheit oder Gefährdungsbeurteilungen, die sichtbar machen, welche Belastungen mit dem einzelnen Arbeitsplatz verbunden sind. Alle drei sind in der Mehrheit der untersuchten Betriebe inzwischen verbreitet, wobei kleinere Firmen deutlich hinter die Großbetriebe zurückfallen. In Unternehmen ohne Betriebsrat und mit weniger als 20 Beschäftigten dürfte die Quote noch geringer ausfallen, so Ahlers.
Aber selbst wenn Instrumente existieren, ist der Forscherin zufolge fraglich, ob sie passend ausgestaltet sind. So seien viele Hochglanzbroschüren, in denen Unternehmen ihre Fitness-, Ernährungs- oder Entspannungsprogramme preisen, irreführend. Hier würden individuelle Bewältigungsstrategien angeboten, aber nicht die eigentlichen Ursachen der Überlastung angegangen. Von den abgeschlossenen Gefährdungsbeurteilungen bezieht außerdem nur ein Viertel psychische Belastungen mit ein – obwohl der Gesetzgeber dies seit langem so fordert. Gerade für die Gestaltung der zunehmend digitalen Arbeitswelt sei es entscheidend, psychische Belastungen zu erkennen und zu reduzieren, mahnt die Wissenschaftlerin. Ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen sind Ahlers zufolge der wichtigste Ansatzpunkt für Arbeitnehmervertreter: In Betrieben mit einem umfassenden Gesundheitsmanagement, das Stress ernst nimmt, stand am Anfang oft eine Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen.

Quelle: http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/106575_106924.htm

Mitsprache senkt den Krankenstand



Wie hoch der Krankenstand in der Wirtschaft ausfällt, hängt unter anderem davon ab, wie verbreitet ergonomische Montagestraßen und Tastaturen sind, welche Viren Saison haben und ob sich die Beschäftigten oft genug ihre Hände waschen. Laut einer Untersuchung von Ola Sjöberg spielt außerdem eine Rolle, wie gut Arbeitnehmer ihre Interessen vertreten können. Der Sozialwissenschaftler von der Universität Stockholm hat Daten der EU-Arbeitskräfteerhebung aus den Jahren 1996 bis 2010 ausgewertet, die sich auf abhängig Beschäftigte in 24 Ländern beziehen.
Das Ausmaß der kollektiven Mitsprachemöglichkeiten hat er anhand von zwei Kennziffern erfasst. Ein Kriterium ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad, also der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an der Arbeitnehmerschaft. Zum anderen dient ein Index als Maßstab, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für betriebliche Interessenvertretungen abbildet. Er berücksichtigt unter anderem, ob es überhaupt Vorschriften für Information und Konsultation auf betrieblicher Ebene gibt und in welchen Angelegenheiten Beschäftigte mitbestimmen dürfen.


Nationale und individuelle Merkmale, die das Risiko von Fehltagen erwiesenermaßen beeinflussen, wie die Arbeitslosenquote, die Höhe des Krankengelds oder das Geschlecht wurden bei der Analyse herausgerechnet. Das Ergebnis: Je mehr Mitglieder die Gewerkschaften haben und je einflussreicher betriebliche Arbeitnehmervertretungen sind, desto weniger kurzfristige Krankmeldungen gibt es. Wenn der Organisationsgrad zwischen 1996 und 2010 nicht um zehn Prozent gesunken wäre, würden europäische Beschäftigte pro Jahr im Schnitt auf 2,5 Stunden weniger Fehlzeit kommen, so Sjöberg.
Als Erklärung für seinen Befund verweist der Forscher auf die sogenannte Exit-Voice-Theorie. Demnach haben Beschäftigte grundsätzlich zwei Möglichkeiten, auf Probleme am Arbeitsplatz zu reagieren: Sie können ihre Unzufriedenheit gegenüber dem Management artikulieren und auf Veränderungen drängen. Oder sie können sich zurückziehen, indem sie zu Hause bleiben oder kündigen. Kollektive Interessenvertretungen wie Betriebsräte ermöglichen es den Beschäftigten, Kritik zu äußern, ohne um Job oder Karriere fürchten zu müssen. Die Folge: mehr Beschäftigungsstabilität und weniger Fehltage.














Quelle: Böckler Impuls Ausgabe 02/2017

Mitbestimmung des Betriebsrats beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebers

Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite für andere Facebook-Nutzer die Veröffentlichung von sogenannten Besucher-Beiträgen (Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Konzerns, der Blutspendedienste betreibt. Bei den Blutspendeterminen sind ein oder mehrere Ärzte sowie bis zu sieben weitere Beschäftigte tätig. Sie tragen Namensschilder. Im April 2013 richtete die Arbeitgeberin bei Facebook eine Seite für konzernweites Marketing ein. Bei Facebook registrierte Nutzer können dort Postings einstellen. Nachdem sich Nutzer darin zum Verhalten von Arbeitnehmern geäußert hatten, machte der Konzernbetriebsrat geltend, die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite sei mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeberin könne mit von Facebook bereitgestellten Auswertungsmöglichkeiten die Beschäftigten überwachen. Unabhängig davon könnten sich Nutzer durch Postings zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern öffentlich äußern. Das erzeuge einen erheblichen Überwachungsdruck.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seiner Anträge durch das Landesarbeitsgericht hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Mitbestimmung unterliegt die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
  
  
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss vom 12. Januar 2015 - 9 TaBV 51/14 -


Quelle: BAG Pressemitteilung 64/16

Schadensersatz wegen unterbliebener Erhöhung der Wochenarbeitszeit - Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung

Der Kläger, der seit Dezember 2011 mit einem GdB von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist, ist bei der Beklagten, die einen Express-Versand und Transport-Service betreibt, in deren Station in K. als Kurier mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 27,5 Stunden beschäftigt. Im Juni 2013 verteilte die Beklagte ein Stundenvolumen von insg. 66,5 Stunden - unbefristet - an 14 teilzeitbeschäftigte Kuriere und schloss mit diesen entsprechende Änderungsverträge ab. Dabei wurden bis auf den Kläger, der mehrfach um eine Erhöhung seiner Wochenstundenzahl nachgesucht hatte, und einen weiteren Mitarbeiter, der erst im Januar 2013 in die Station in K. gewechselt war, sämtliche Teilzeitmitarbeiter mit Wunsch auf eine Stundenerhöhung berücksichtigt. Mit seiner Klage hat der Kläger eine Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit unter entsprechender Vertragsänderung begehrt. In der Berufungsinstanz hat er seine Klage erweitert und zusätzlich hilfsweise einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG in Höhe der ihm entgangenen Vergütung geltend gemacht. Zur Begründung hat er sich darauf berufen, die Beklagte habe ihn bei der Vergabe der Stundenerhöhungen wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht - unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen - dem Kläger Schadensersatz in Höhe des ihm entgangenen Verdienstes zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage nicht mit der Begründung stattgeben, es lägen Indizien iSv. § 22 AGG* vor, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung vermuten ließen und die Beklagte habe diese Vermutung nicht widerlegt. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass die Vermutung einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nur besteht, wenn Indizien vorliegen, die mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" darauf schließen lassen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund ursächlich für die Benachteiligung war und dass damit die vom Landesarbeitsgericht angenommene "Möglichkeit" einer Ursächlichkeit nicht ausreicht. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen konnte der Senat den Rechtsstreit allerdings nicht abschließend entscheiden. Die Sache wurde deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
  
  

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 26. Januar 2017 - 8 AZR 736/15 -

Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 25. September 2015 - 18 Sa 520/14 -


* § 22 AGG Beweislast

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Quelle: BAG Pressemitteilung 5/17

Massenentlassungsschutz - Benachteiligung von Personen in Elternzeit

Massenentlassungen innerhalb von 30 Kalendertagen bedürfen nach Maßgabe von § 17 KSchG zu ihrer Wirksamkeit einer vorherigen ordnungsgemäßen Konsultation des Betriebsrats und einer vorherigen ordnungsgemäßen Anzeige an die Agentur für Arbeit. Dieser durch § 17 KSchG gewährleistete Schutz ist europarechtlich durch die Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie) determiniert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk]) ist unter „Entlassung“ die Kündigungserklärung zu verstehen.

Hiervon ausgehend hielt der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts die Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin vom 10. März 2010 für wirksam, die sich zur Zeit der wegen einer Betriebsstilllegung durchgeführten Massenentlassungen in Elternzeit befand und deren Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf des Zeitraums von 30 Kalendertagen gekündigt wurde, obwohl sich die Kündigungen der übrigen Arbeitsverhältnisse mangels einer ordnungsgemäßen Konsultation des Betriebsrats gemäß § 17 KSchG als unwirksam erwiesen hatten (BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 -).

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 BvR 3634/13 - dieses Urteil aufgehoben, weil es die Klägerin in ihren Grundrechten aus Art. 3 iVm. Art. 6 GG verletze. Die Klägerin werde unzulässig wegen der von ihr in Anspruch genommenen Elternzeit und wegen ihres Geschlechts benachteiligt, wenn ihr der Schutz vor Massenentlassungen versagt werde, weil das Abwarten der wegen der Elternzeit notwendigen behördlichen Zustimmung zur Kündigung dazu geführt habe, dass die Kündigung erst nach Ablauf des 30-Tage-Zeitraums erklärt wurde. In diesen Fällen gelte der 30-Tage-Zeitraum auch dann als gewahrt, wenn die Antragstellung auf Zustimmung der zuständigen Behörde zu der Kündigung innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sei.

An diese nationalrechtliche Erweiterung des Entlassungsbegriffs bei Massenentlassungen durch das Bundesverfassungsgericht ist der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts ungeachtet der Probleme gebunden, die ua. dann entstehen, wenn die behördliche Zustimmung erst außerhalb der 90-tägigen Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG erteilt wird oder wenn bei einer Arbeitnehmerin in Elternzeit die Kündigung als solche zugleich Teil einer zweiten, § 17 KSchG unterfallenden Welle von Kündigungen ist. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat deshalb nun auf die Revision der Klägerin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10. März 2010 nicht aufgelöst worden ist.
  
  
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 26. Januar 2017 - 6 AZR 442/16 -

Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 31. Oktober 2011 - 17 Sa 761/11 -



Quelle: BAG, Pressemitteilung 4/17

Betriebsratstätigkeit - Arbeitszeit

Ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, ist berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht einzustellen, wenn nur dadurch eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist. Nach § 5 Abs. 1 ArbZG ist dem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Es kann dahinstehen, ob die Zeit der Erbringung von Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG ist und § 5 Abs. 1 ArbZG deshalb Anwendung findet. Jedenfalls ist bei der Beurteilung, ob dem Betriebsratsmitglied in einer solchen Situation die Fortsetzung der Arbeit in der Nachtschicht wegen der bevorstehenden Betriebsratstätigkeit unzumutbar ist, die Wertung des § 5 Abs. 1 ArbZG zu berücksichtigen.

Der Kläger ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats und arbeitet im Dreischichtbetrieb. Er war in der Nacht vom 16. Juli auf den 17. Juli 2013 für die Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr bei einer Pause von 2:30 Uhr bis 3:00 Uhr eingeteilt. Am 17. Juli 2013 nahm der Kläger von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr an einer Betriebsratssitzung teil. Mit Rücksicht auf diese Betriebsratssitzung stellte er in der vorherigen Nachtschicht seine Arbeit um 2:30 Uhr ein. Ihm wurde für diese Nachtschicht von der Beklagten nur der Zeitraum bis 3:00 Uhr und von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger ua. die Gutschrift der beiden weiteren Stunden von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr verlangt. Die Klage hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts - ebenso wie zuvor beim Landesarbeitsgericht - Erfolg.

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats auch dann von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar gemacht hat. Vorliegend war dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung am 17. Juli 2013 jedenfalls ab 3:00 Uhr wegen der um 13:00 Uhr beginnenden Betriebsratssitzung unzumutbar, weil ihm bei Fortsetzung seiner Arbeit zwischen den Arbeitsschichten keine durchgehende Erholungszeit von elf Stunden zur Verfügung gestanden hätte.

Über eine weitere Klageforderung konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Insoweit wurde die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
  
  
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 18. Januar 2017 - 7 AZR 224/15 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 20. Februar 2015 - 13 Sa 1386/14 -


Quelle: BAG, Pressemitteilung 1/17

Betriebsrätestärkungsgesetz

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 21.12.2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stär...